BNN Freitag, 02.12.2022: In Forst ist das Ende der Kreidezeit gekommen

Lußhardt-Gemeinschaftsschule ist nun digital ausgestattet / In Bruchsal wird Wartung und Administration zentral organisiert

In Forst ist das Ende der Kreidezeit gekommen

Forst/Hambrücken.
Oh je, da ist etwas schief gegangen mit dem kleinen L. Die Erstklässlerin steht vor der Klasse, schaut hilflos vom Buchstaben zu Lehrerin Lisa-Maria Stiefel. Hinter ihr werden ihre Mitschüler langsam unruhig. „Das darf nicht in den Keller“, rufen ein paar.
So klingt wohl ein normaler Dienstagmorgen in einer ersten Klasse in Forst: Deutschunterricht steht auf dem Stundenplan, und das Bild eines Häuschens mit Kellergeschoss hilft den Kinder bei den Schreibübungen.

Doch etwas ist anders. Lehrerin Stiefel greift nicht zum Schwamm, um den zu lang geratenen Buchstaben wegzuwischen. Sie drückt einfach auf Löschen.
Denn in Forst ist das Ende der Kreidezeit gekommen: Seit kurzem ist die Lußhardt-Gemeinschaftsschule Forst-Hambrücken komplett digital. Auch dank Geldern des Digitalpakts; in anderen, größeren Städten und Gemeinden läuft die Umstellung weiter, etwa in Bruchsal.

In Forst sind jetzt dort, wo die grünen Tafeln hingen, riesige Bildschirme angebracht. Überdimensionale Tablets sozusagen, deren Oberfläche mit einem Stift beschrieben werden können. Zwölf Stück gibt es insgesamt, finanziert mit Geld aus dem Digitalpakt. Die Kinder finden es gut, sagt Lehrerin Stiefel: „Die haben eine ganz andere Lernmotivation, sie kommen jetzt gerne an die Tafel.“ Es ist aber nicht nur die ansprechende Technik, mit der die digitale Schule punkten will, sagen die Verantwortlichen. Bei den älteren Schülern, die in Hambrücken unterrichtet werden, trage man zur Ausbildungsreife bei, sagt Schulleiter Stephan Walter. Und vermittle den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien. „Sie lernen die Informationsbeschaffung, Bearbeitung oder auch Programmieren.“ In Hambrücken stehen statt Tafeln Fernseher mit smarter Technik, und es wurde eine moderne CNC-Fräse zur Metall- und Holzverarbeitung angeschafft.

Außerdem hilfreich: „Wir können jetzt ein wichtiges Tafelbild speichern und in der nächsten Stunde daran weiter arbeiten“, sagt Konrektor Thorsten Moch. Oder es dem kranken Schüler nach Hause schicken. Für die Pädagogen überwiegen die Vorteile des digitalisierten Lernens, auch wenn der Medienkonsum von Kindern und Jugendlich allgemein häufig kritisiert wird. „Um deren Medienkompetenz zu stärken, bieten wir eigene Veranstaltungen“, sagt Walter. Etwa zum Cyber-Grooming, der sexuellen Belästigung im Internet.

193.000 Euro wurden in die Schule investiert, auch die IT insgesamt wurde aufgerüstet. Die Gemeinschaftsschule wurde deshalb ausgezeichnet: Weil ihre digitale Ausstattung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik von Vorteil ist. Im Rathaus freut man sich: „Das ist echt eine runde Sache“, sagt Hauptamtsleiter Heimo Czink. Überschattet wird der Ausbau jetzt davon, dass geplantes Geld, etwa für die Instandhaltung der Geräte, von der Landesregierung anderweitig eingesetzt werden soll. In Bruchsal bleibt man bei dieser Nachricht pragmatisch: „Da stehen wir jetzt zwar im Regen, aber wir treiben den Ausbau dennoch voran“, sagt Schulamtsleiter Rainer Rapp.

Allein aus dem Grundstock des Digitalpakts kann Bruchsal mehr als 2,3 Millionen Euro abrufen, Schulträger und Schulen übernehmen davon jeweils zehn Prozent. Entscheidend sei die richtige Infrastruktur, betont Jörg Schulz, Digitalbeauftragter der Stadt. Zum Beispiel kann über einen zentralen Server die Wartung der 2.300 Tablets für Bruchsaler Schüler und Lehrer gesteuert werden. Darum kümmert sich Denis Seibel von der städtischen IT mit einem Kollegen. Das Team soll sich vergrößern.
Ein weiteres Beispiel: Der Landkreis Karlsruhe schafft für rund 10.000 Schüler und 1.100 Lehrer an 14 beruflichen Schulen und sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren für vier Millionen Euro interaktive Tafelsysteme, Präsentationssysteme, digitale Tische, Tablets und Laptops an. Jedoch: „Die Lieferzeiten für manche Geräte sind mitunter sehr lang“, heißt es aus dem Landratsamt. Zudem seien Fachfirmen ausgebucht.

In Forst jedenfalls ist man stolz auf die gute Ausstattung. Und die Lehrer? Lisa-Maria Stiefel sagt: „Ich habe mich so gefreut. Endlich sind sie da.“ Bei anderen mussten Moch und Walter mehr Überzeugungsarbeit leisten. „Mit einer Fortbildung konnten wir Vorbehalte abbauen. Die Tafeln sind keine Spielerei“, so Moch. Und für die Nostalgiker unter den Lehrkräften bleibt künftig noch die Auswahl des dunkelgrünen Hintergrunds für die Digital-Tafeln.




Ab jetzt kann das Tafelbild gespeichert werden: Die Verantwortlichen von Schule und Verwaltung sehen viele Vorteile an einer digitalen Schule.
Foto: Nicole Jannarelli